Fazit.

So, geschafft. Ein hartes Stücke Arbeit liegt hinter mir. Wie es war? Das erste war das mir dazu einfällt ist „lang“. Es fühlt sich gleichzeitig wie eine Ewigkeit und wie gestern an, dass ich in Glacier National Park an der kanadischen Grenze zu dieser Wanderung aufgebrochen bin. Die Zeitwahrnehmung hat mich immer wieder fasziniert, fast jeder Tag fühlt sich lang an, aber insgesamt ging es doch gefühlt sehr schnell vorbei.
Es bleiben unzählige Erinnerungen an gute Tage, schlechte Tage, anstrengende und wenige anstrengende Tage, an bestimmte Situationen, Berge, Tiere, Ausblicke und natürlich an viele Menschen, sowohl andere Wanderer, als auch sonstige Begegnungen. Letzten Endes habe ich glaube ich noch gar nicht vollständig realisiert, was ich geschafft habe und das es jetzt vorbei ist. Obwohl ich so lange auf diesen Moment hingearbeitet habe, ging es dann doch sehr plötzlich vorbei. Ich bin nun schon am Flughafen in Phoenix, warte auf meinen Flug nach Nashville, wo ich noch bis Dienstag bei Hank bin, bevor es dann zurück nach Deutschland geht.
Sehr gespannt bin ich darauf, wie es wird, wieder ein „Zivilleben“ zu führen. Draußen zu sein ist Normalität geworden und ein natürlicher Zustand. Alles was man braucht, im Rucksack zu haben, und einfach nur laufen zu müssen, gibt ein großes Gefühl von Freiheit. Auch wenn man draußen natürlich irgendwo auch vielen Zwängen ausgesetzt ist, bspw. Wasser, Wetter, Zeitplan, Gelände, weiß man doch nach einiger Zeit auf dem Weg, dass man alle Fähigkeiten und Ausrüstung besitzt, um mit dem umzugehen, was der Weg und die Natur einem entgegenschleudern. Es ist eigentlich ein recht simples Leben, auch wenn es sich wirklich nicht immer so anfühlt.
Auf jeden Fall bin ich erstmal ziemlich zufrieden, dass ich es tatsächlich geschafft habe, den Continental Divide Trail zu laufen.

Und hier noch die versprochene Statistik:

Tage: 141
Pausentage: 14
Gesamt km: 4231km
Durchschnitt pro Tag: 30km
Durchschnitt ohne Pausentage: 33,31km
längster Tag: 50km
kürzester Tag: 11km
höchster Punkt: 4350m ü.N.N., Gray’s Peak, Colorado
niedrigster Punkt: 1278m ü.N.N., NM bei Lordsburg
allein vs. nicht allein gezeltet: 55 vs. 58 Nächte
Anzahl Townstops: 28
durchschnittl km zwischen Orten: 151,1km
durchschnitt Tage zwischen Orten: 5
längste Strecke zwischen Orten: 281km
kürzeste Strecke zwischen Orten: 63km
kleinster Ort: Leadore, Idaho (106 Einwohner)
größter Ort: Helena, Montana (32.901 Einwohner)
Nächte in richtigen Betten: 10
Duschen: 19
Schuhe: 5 Paar
Socken: 9 Paar
Blasen: 2
Regentage: 46
Bären gesichtet (und überlebt): 4 (alle auf einmal)
Tarantulas: 0!!!
andere SoBo Wanderer getroffen: 86 (55 Männer, 31 Frauen)

Lordsburg.

Lordsburg, der letzte townstop vor der Grenze! Ein letztes mal Essen kaufen, Geräte laden, Dusche und Wäsche spare ich mir jetzt, und schon am Donnerstag werde ich am Grenzzaun stehen und ich werde es endlich geschafft haben.
Inzwischen bin ich wieder weitgehend hergestellt und in der Lage, halbwegs normale Taegsetappen zu laufen. Da ich konservativ gerechnet habe, habe ich aber sowieso keine allzu langen Etaplen mehr vor mir. Und inzwischen gibt es auch eine Lösung für das Grenzproblem, auch Ausländer dürfen nun in Begleitung einer Person, die eine ID Card des Kriegsministeriums (sic!) hat, auf Antrag in die National Defense Areas. Da ich sowieso ein Shuttle von der Grenze zurück nach Lordsburg brauche – die einzige Möglichkeit, hierher zurückzukommen außer zu laufen – und mein Shuttlefahrer eine solche ID Card hat, war das zum Glück recht unkompliziert.
Ansonsten geht das ganze nun recht unspektakulär aufs Ende zu. Den letzten Berg habe ich vorgestern erklommen, nun kommt noch weitgehend flache Hochwüste mit wenig Vegetation und vielen Rindviechern, das Wetter ist mit etwas über 20 Grad und ausschließlich blauem Himmel (habe gestern zum ersten Mal seit mindestens 10 Tagen wieder ein paar Wolken gesehen) auch sehr angenehm. Ist aber auch nicnt schlecht so, Anstrengung war es ja nun wirklich genug.
So, ich melde mich dann wieder Ende der Woche.

Silver City.

Kurz vor dem Ende hat es mich jetzt doch noch erwischt. Bisher lief es ja eigentlich gut, und ich bin von größeren Verletzungen und Krankheiten verschont geblieben, leider habe ich nun irgendetwas erwischt, was meinen Magen ziemlich durcheinander bringt. Ich musste vor ein paar Tagen deswegen schon einen extra Tag Pause in einem kleinen Ort namens Reserve machen, danach ging es wieder ein bisschen aufwärts, aber ich bin nach wie vor recht schwach und tue mir mit Essen schwer, weswegen ich nun einen kleinen Abschnitt per Anhalter übersprungen habe und einen Tag Pause in Silver City gemacht habe.
Immerhin ging es mir noch gut genug, dass ich einen Teil der Gila Wilderness Area sehen konnte. Die Gila ist ein Fluss, der sich vor allem mit seinem mittleren Arm einen tiefen und ziemlich beeindruckenden Canyon gegraben hat. Es war teilweise sehr anstrengend, da die Wegverhältnisse schwierig waren, aber es ist schon ziemlich beeindruckend, durch diesen teils engen Canyon zu laufen, die Seitenwände sind bis zu mehrere hundert Meter hoch und meist senkrecht. Außerdem war zur Abwechslung mal Wasser kein Problem, im Gegenteil es gab eher zu viel, ich bin geschätzte 80 bis 100 mal durch den Fluss gewartet.
Nun habe ich noch knapp 250 km übrig und bin inzwischen einfach froh, wenn ich die Grenze erreiche.

Pie Town.

New Mexiko ist nach wie vor sehr vielfältig. In den letzten Tagen bin ich sehr viel über Kuhweiden gelaufen, große Grasflächen mit nur wenigen Büschen und Bäumen, was zwar nicht sehr spektakulär ist, dafür kommt man sehr gut vorwärts. Aber zwischendurch bin ich zum Beispiel auch durch Canyons gelaufen oder über ein riesiges Lavafeld.
Ich bin nun in Pie Town angekommen, einem der kleinsten Orte entlang des Weges, tatsächlich so klein, dass es hier nicht mal einen Laden gibt. Deswegen habe ich mir ein Paket mit Essen für die nächsten Tage postlagernd an die Post hier geschickt, das ich gleich abholen werde. In der nächsten Etappe kommt nun ein letztes großes Highlight, die Gila River Wilderness gilt als eine der schönsten Gegenden entlang des CDT und wird auch noch mal eine Abwechslung zu der wüstenartigen Landschaft der letzten Wochen. Teil der Abwechslung wird sein, dass es dort wieder reichlich Wasser gibt. Vor allem in der letzten Woche gab es praktisch gar keine natürlichen Wasserquellen, Wasser findet man eigentlich nur auf zwei Arten entweder Kuhtränken, das können befestigte wannenartige Tränken sein oder auch einfach mal ein großer Traktorreifen mit einer Plane drin. Wie die Wasserqualität ist, könnt ihr euch vermutlich vorstellen. Ansonsten gibt es zum Glück immer wieder Einheimische, die an strategisch günstigen Stellen ein paar Liter Wasser hinstellen und manchmal vielleicht noch sogar ein paar Coladosen oder ähnliches.
Ich habe nur noch ungefähr zwei Wochen, bis ich an der Grenze angelangt bin und ich plane in meinem letzten Blogeintrag eine Statistik zu veröffentlichen. Falls es Vorschläge gibt, was ich damit aufnehmen soll, meldet euch gerne bei mir..

Cuba.

Keine Angst, ich bin nicht falsch abgebogen. Tatsächlich heißt die Kleinstadt, in der ich mich gerade befinde, Cuba.
Wie geplant habe ich noch am Sonntagabend die Grenze zu New Mexico überschritten. Am Wochenende davor war ich mit zehn anderen wandern in Albuquerque bei einem Heißluftballon Festival, Kes war schlechtes Wetter, da hat sich das angeboten. Die ersten paar Tage in New Mexico habe ich also nun hinter mir und tatsächlich ist es hier ganz anders als in Colorado. Bisher ist die Landschaft geprägt von Mesas, es sind deutlich weniger Anstiege, oft laufe ich kilometerlang oben über die Tafelberge durch Wiesen und Wälder. Eine schöne Abwechslung, es gefällt mir, mal wieder Bäume zu sehen, zumal es auch sehr interessant ist, wie auf den verschiedenen Höhenlagen unterschiedliche Pinienarten wachsen, ganz oben gibt es dann vor allem auch Kiefern und dazwischen immer wieder auch hier noch die Espen, die zumindest teilweise immer noch herrliche Herbstfarben haben. Aber vor allem in tieferen Lagen, ich war kürzlich zum ersten Mal seit Mitte Juli über eine längere Strecke unter 2000m, ist es eine Art Hochwüste. Das ist ziemlich spektakulär für mich, wie im letzten Beitrag schon angekündigt findet man hier die vielleicht aus Filmen bekannten Landschaften mit roten Felsen, Kakteen, engen Schluchten, niedrigen Büschen und dazwischen immer wieder vereinzelt Bäume. Es ist etwas wärmer als in Colorado, für kommende Woche sind bis zu 20° angesagt, die Nächte hingegen sind teilweise nach wie vor sehr kalt, immer wieder auch mit Frost.
Und leider ist auch das eingetreten, wovor es mich seit Beginn meiner Wanderung graust: ich bin nun in Tarantelgebiet, wie mir ein Mitwanderer per Foto auch schon bewiesen hat.

New Mexico! (Also, fast).

Ich habe es geschafft. Ich bin in New Mexico angekommen, also so mehr oder weniger. Diese Zeilen schreibe ich in Chama, mein erster townstop in New Mexico. Tatsächlich habe ich aber noch etwa 5 km in Colorado, die ich wandern muss. Voraussichtlich am Sonntag werde ich die Grenze überqueren und den letzten großen Abschnitt meiner Wanderung beginnen. Von hier an verläuft der Weg bis auf kleine kurze Ausnahmen unter 3000m und die Gefahr eines größeren Wintereinbruchs ist vorbei.
Schon in den letzten Tagen habe ich bemerkt, wie sich die Landschaft ganz langsam begann zu verändern, man sieht entlang der Bergketten nicht mehr so viele große Gipfel, es gibt oft lange Hochplateaus, auch die Anstiege werden kleiner (sehr angenehm!), die Höhenunterschiede sind nicht mehr so groß. Mit dem Wetter hatte ich Glück, es war meist sonnig, und hat nur einmal ganz kurz leicht geregnet. Übers Wochenende zieht eine ziemliche Schlechtwetterfront durch, daher habe ich mit einigen anderen Wanderern beschlossen zu einem Heißluftballon Festival nach Albuquerque zu fahren. Am Sonntag fahren wir dann zurück und laufen bei hoffentlich besserem Wetter weiter.
Ich bin nun deutlich entspannter, insbesondere die letzten beiden Wochen waren doch recht stressig und anstrengend. Auf New Mexico freue ich mich schon lange, insbesondere der Nordteil muss sehr schön sein, geprägt von Mesas und roten Felsen, wie man es aus Western kennt.
Es sind nun noch ca 1100 km übrig, einerseits ist das durchaus noch eine Strecke, andererseits neigt sich die Wanderung nun so langsam dem Ende zu. Ich fange schon an zu überlegen, was ich danach noch mache, wie ich wohin komme, wann genau ich zurück fliege, und ähnliche Dinge, und habe mein vermutlich letztes Paar Schuhe bekommen.
Auch wurden wir Wanderer nun doch noch von der großen Politik eingeholt. Eine der angenehmen Nebeneffekte diese Wanderung war, von der Nachrichtenlage nur sehr wenig mitzubekommen, allerdings hat die Bundesregierung in Washington, D.C., entschieden, in der Grenzregion zwischen New Mexico und Mexiko sogenannte National Defense Areas (NDA’s) einzurichten. Das betrifft auch den offiziellen Endpunkt des CDTs, der sich nun in einem solchen Gebiet befindet. Der Zutritt in diese Gebiete ist nur für US-Bürger und nur auf Antrag möglich. Im Moment sind vor allem wir ausländischen Wanderer noch dabei, unsere Optionen zu prüfen. Es gibt noch zwei inoffizielle Endpunkte, die aber beide gewisse logistische Schwierigkeiten haben, es gibt auch tatsächlich die Möglichkeit, einfach in der Nähe des eigentlichen Endpunktes an die Grenze zu kommen, da die NDAs nur auf Bundesgebiet sind und nicht auf Landesgebiet. Der Föderalismus hat auch in den USA teilweise sehr kuriose Auswirkungen… im Moment ist die Lage diesbezüglich noch sehr unklar, ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt.

Pagosa Springs / Bayfield

An der Kürze der Beiträge bemerkt ihr vielleicht, dass die Zeit knapp ist. Sechs Tage bin ich nun durch das San Juan Gebirge gewandert, und tatsächlich hatte ich im großen und ganzen Glück mit dem Wetter. Die ersten Tage war es wunderbar sonnig und warm, und Colorado hat sich nochmal von seiner besten Seite gezeigt. Tatsächlich ist die Gegend hier landschaftlich hier bisher das absolute Highlight meiner Wanderung. Nur vorgestern kam ein mittelschwerer Schneesturm, ein erster Vorbote des Winters und eine freundliche Erinnerung, doch bitte bald Colorado zu verlassen. Es sind nun noch 110km bis zum Cumbres Pass, ab dort bewegt sich der Trail nur noch unterhalb der 3000m-Marke, und große Schneemengen, die die Wege unoassierbar machen, sind ab dort nicht mehr zu erwarten. Am Donnerstag sollte ich dort ankommen.

Lake City.

Heute nur ein kurzer Beitrag. Die letzten vier Tage waren tatsächlich etwas entspannter, etwas weniger Höhenmeter, nicht ganz so hoch, teilweise sogar unter 3000m, und einfacheres Gelände. Sogar das Wetter hat mitgespielt und war bis auf ein paar kleine kurze Regenschauer meist sehr angenehm. Manchmal sogar ein bisschen zu warm – über irgendwas muss sich der Schwabe ja beschweren. Erst gestern gings wieder etwas höher hinaus, ein kleiner Vorgeschmack auf das kommende.
Ich bin nun in Lake City angekommen, von hier geht es nun ins San Juan Gebirge, das letzte große Hindernis vor New Mexico. Es sind noch etwas über 300 Kilometer, komplett über 3000m, fast alles sogar über 3.500. Noch sieht die Wettervorhersage gut aus, hoffen wir, dass das so bleibt.

Herbst.

Colorado ist und bleibt eine Herausforderung. Die letzten beiden Wochen waren geprägt von ständigen Planwechseln, Alternativrouten, langsamen Vorankommen, bedingt v.a. durch Wetter, aber auch andere Faktoren wie schwieriges Gelände, die Höhe oder auch Mäuse, die mein Essen angefressen haben.
Nach den Trail Days ging es hoch zum höchsten Berg auf dem Trail, Gray’s Peak mit 4350 Metern. Wir hatten einen sonnigen Tag erwischt, sodass wir weiter über den Grat laufen konnten, insgesamt über 20km immer oben, mit traumhaften Ausblicken auf allen Seiten. Erst am nächsten Mittag erwischte uns ein Gewitter und wir schafften es gerade noch unter die Baumgrenze. Danach verlief der Weg recht abwechslungsreich mal durch Wälder, mal oben, damit war zumindest der Umgang mit dem Wetter etwas einfacher.
Inzwischen ist es sehr eindeutig Herbst geworden, die Temperaturen sind einstellig, nachts gibt es oft Frost, aber vor allem sind die Wälder nun in leuchtenden Herbstfarben. Grade die Espen, die hier allgegenwärtig sind, tauchen die Wälder in leuchtendes Gelb, und gelegentlich auch rot. Übrigens faszinierende Bäume: Das sind keine einzelnen Bäume, sondern unterirdisch durch Wurzelwerk verbundene Baumkolonien, mit teils vielen dutzend Stämmen. Das hat auch zur Folge, dass eine Baumkolonie ihre Farbe immer gleichzeitig wechselt, und nicht jeder Baum einzeln.
Herbst bedeutet auch, dass es bald Winter wird, und mein Rennen gegen den Winter geht nun in die letzte Phase. Erste Schneestürme gab es schon, oben in den Bergen sieht man immer wieder kleine Schneereste, aber zum Glück sind wir noch etwas vom richtigen Wintereinbruch entfernt. Es sind noch knapp 500km bis New Mexico, nun bleibt nur noch zu hoffen, dass der Winter nicht zu früh kommt, und so schnell zu wandern wie es eben möglich ist.