Ich habe es geschafft. Ich bin in New Mexico angekommen, also so mehr oder weniger. Diese Zeilen schreibe ich in Chama, mein erster townstop in New Mexico. Tatsächlich habe ich aber noch etwa 5 km in Colorado, die ich wandern muss. Voraussichtlich am Sonntag werde ich die Grenze überqueren und den letzten großen Abschnitt meiner Wanderung beginnen. Von hier an verläuft der Weg bis auf kleine kurze Ausnahmen unter 3000m und die Gefahr eines größeren Wintereinbruchs ist vorbei.
Schon in den letzten Tagen habe ich bemerkt, wie sich die Landschaft ganz langsam begann zu verändern, man sieht entlang der Bergketten nicht mehr so viele große Gipfel, es gibt oft lange Hochplateaus, auch die Anstiege werden kleiner (sehr angenehm!), die Höhenunterschiede sind nicht mehr so groß. Mit dem Wetter hatte ich Glück, es war meist sonnig, und hat nur einmal ganz kurz leicht geregnet. Übers Wochenende zieht eine ziemliche Schlechtwetterfront durch, daher habe ich mit einigen anderen Wanderern beschlossen zu einem Heißluftballon Festival nach Albuquerque zu fahren. Am Sonntag fahren wir dann zurück und laufen bei hoffentlich besserem Wetter weiter.
Ich bin nun deutlich entspannter, insbesondere die letzten beiden Wochen waren doch recht stressig und anstrengend. Auf New Mexico freue ich mich schon lange, insbesondere der Nordteil muss sehr schön sein, geprägt von Mesas und roten Felsen, wie man es aus Western kennt.
Es sind nun noch ca 1100 km übrig, einerseits ist das durchaus noch eine Strecke, andererseits neigt sich die Wanderung nun so langsam dem Ende zu. Ich fange schon an zu überlegen, was ich danach noch mache, wie ich wohin komme, wann genau ich zurück fliege, und ähnliche Dinge, und habe mein vermutlich letztes Paar Schuhe bekommen.
Auch wurden wir Wanderer nun doch noch von der großen Politik eingeholt. Eine der angenehmen Nebeneffekte diese Wanderung war, von der Nachrichtenlage nur sehr wenig mitzubekommen, allerdings hat die Bundesregierung in Washington, D.C., entschieden, in der Grenzregion zwischen New Mexico und Mexiko sogenannte National Defense Areas (NDA’s) einzurichten. Das betrifft auch den offiziellen Endpunkt des CDTs, der sich nun in einem solchen Gebiet befindet. Der Zutritt in diese Gebiete ist nur für US-Bürger und nur auf Antrag möglich. Im Moment sind vor allem wir ausländischen Wanderer noch dabei, unsere Optionen zu prüfen. Es gibt noch zwei inoffizielle Endpunkte, die aber beide gewisse logistische Schwierigkeiten haben, es gibt auch tatsächlich die Möglichkeit, einfach in der Nähe des eigentlichen Endpunktes an die Grenze zu kommen, da die NDAs nur auf Bundesgebiet sind und nicht auf Landesgebiet. Der Föderalismus hat auch in den USA teilweise sehr kuriose Auswirkungen… im Moment ist die Lage diesbezüglich noch sehr unklar, ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt.
Pagosa Springs / Bayfield
An der Kürze der Beiträge bemerkt ihr vielleicht, dass die Zeit knapp ist. Sechs Tage bin ich nun durch das San Juan Gebirge gewandert, und tatsächlich hatte ich im großen und ganzen Glück mit dem Wetter. Die ersten Tage war es wunderbar sonnig und warm, und Colorado hat sich nochmal von seiner besten Seite gezeigt. Tatsächlich ist die Gegend hier landschaftlich hier bisher das absolute Highlight meiner Wanderung. Nur vorgestern kam ein mittelschwerer Schneesturm, ein erster Vorbote des Winters und eine freundliche Erinnerung, doch bitte bald Colorado zu verlassen. Es sind nun noch 110km bis zum Cumbres Pass, ab dort bewegt sich der Trail nur noch unterhalb der 3000m-Marke, und große Schneemengen, die die Wege unoassierbar machen, sind ab dort nicht mehr zu erwarten. Am Donnerstag sollte ich dort ankommen.
Lake City.
Heute nur ein kurzer Beitrag. Die letzten vier Tage waren tatsächlich etwas entspannter, etwas weniger Höhenmeter, nicht ganz so hoch, teilweise sogar unter 3000m, und einfacheres Gelände. Sogar das Wetter hat mitgespielt und war bis auf ein paar kleine kurze Regenschauer meist sehr angenehm. Manchmal sogar ein bisschen zu warm – über irgendwas muss sich der Schwabe ja beschweren. Erst gestern gings wieder etwas höher hinaus, ein kleiner Vorgeschmack auf das kommende.
Ich bin nun in Lake City angekommen, von hier geht es nun ins San Juan Gebirge, das letzte große Hindernis vor New Mexico. Es sind noch etwas über 300 Kilometer, komplett über 3000m, fast alles sogar über 3.500. Noch sieht die Wettervorhersage gut aus, hoffen wir, dass das so bleibt.
Herbst.
Colorado ist und bleibt eine Herausforderung. Die letzten beiden Wochen waren geprägt von ständigen Planwechseln, Alternativrouten, langsamen Vorankommen, bedingt v.a. durch Wetter, aber auch andere Faktoren wie schwieriges Gelände, die Höhe oder auch Mäuse, die mein Essen angefressen haben.
Nach den Trail Days ging es hoch zum höchsten Berg auf dem Trail, Gray’s Peak mit 4350 Metern. Wir hatten einen sonnigen Tag erwischt, sodass wir weiter über den Grat laufen konnten, insgesamt über 20km immer oben, mit traumhaften Ausblicken auf allen Seiten. Erst am nächsten Mittag erwischte uns ein Gewitter und wir schafften es gerade noch unter die Baumgrenze. Danach verlief der Weg recht abwechslungsreich mal durch Wälder, mal oben, damit war zumindest der Umgang mit dem Wetter etwas einfacher.
Inzwischen ist es sehr eindeutig Herbst geworden, die Temperaturen sind einstellig, nachts gibt es oft Frost, aber vor allem sind die Wälder nun in leuchtenden Herbstfarben. Grade die Espen, die hier allgegenwärtig sind, tauchen die Wälder in leuchtendes Gelb, und gelegentlich auch rot. Übrigens faszinierende Bäume: Das sind keine einzelnen Bäume, sondern unterirdisch durch Wurzelwerk verbundene Baumkolonien, mit teils vielen dutzend Stämmen. Das hat auch zur Folge, dass eine Baumkolonie ihre Farbe immer gleichzeitig wechselt, und nicht jeder Baum einzeln.
Herbst bedeutet auch, dass es bald Winter wird, und mein Rennen gegen den Winter geht nun in die letzte Phase. Erste Schneestürme gab es schon, oben in den Bergen sieht man immer wieder kleine Schneereste, aber zum Glück sind wir noch etwas vom richtigen Wintereinbruch entfernt. Es sind noch knapp 500km bis New Mexico, nun bleibt nur noch zu hoffen, dass der Winter nicht zu früh kommt, und so schnell zu wandern wie es eben möglich ist.
Colorado. Nun richtig.
„Colorado is kicking my ass“. Wohl keinen anderen Satz habe ich in den letzten knapp zwei Wochen öfters gehört. Alle uns Wanderer hat dieser Staat in den letzten Tagen vor große Herausforderungen gestellt. An die Höhe habe ich mich inzwischen weitgehend gewöhnt, das war in den ersten Tagen aber gar nicht so einfach, gerade bei den langen Aufstiegen bin ich doch schwer ins Atmen gekommen. Die eigentlich große Herausforderung gerade in den letzten Tagen war aber vor allem das Wetter kombiniert mit dem Terrain. Der Weg läuft hier viel oben auf Graten oder Bergrücken, oft über lange Strecken von 10 km oder mehr, ohne Abstieg unter die Baumgrenze. Dazu hatten wir vor allem in den letzten Tagen oft schlechtes Wetter mit viel Regen, vor allem auch Hagel, und vielen Gewittern. Gewitter sind hier um diese Jahreszeit nicht unüblich, allerdings kommen sie normalerweise erst nachmittags und dauern nur kurz. Das war letzte Woche nicht der Fall, es war völlig unberechenbar, was die ganze Strecke manchmal zu einem großen Glücksspiel gemacht hat. Einmal bin ich auch 3 km und 500 Höhenmeter einfach wieder zurück abgestiegen, um nicht oben dem Gewitter ausgesetzt zu sein. Wie ich inzwischen gelernt hatte, ist es nämlich sehr unangenehm, in offenem Gelände mitten im Gewitter zu sitzen. Auch jetzt mache ich gerade einen zusätzlichen Tag Pause, um Stürme abzuwarten. Wenn dann aber mal die Sonne scheint, oder es zumindest soweit aufklart, dass man Ausblick hat, dann ist die Gegend hier wirklich beeindruckend. Oft sieht man dann Dutzende Kilometer über die Bergwelt der Colorado Rockies (soehe Fotogallerie).
Da ich durch meinen Pausentag etwas Zeit habe, wollte ich, auch aus anderem Anlass, etwas über die sogenannte Trail Culture schreiben. Wie ich ja schon hier und dort erwähnt habe, treffe ich immer wieder andere Wanderer. Es dürfte eine niedrige dreistellige Zahl vom Wanderern sein, die mehr oder weniger gemeinsam Richtung Mexiko läuft. Es ist tatsächlich sehr faszinierend zu sehen, wen man wo trifft. Manche Wanderer sehe ich über Wochen sehr regelmäßig, manchmal passiert es auch, dass ich jemanden treffe, den ich schon seit wortwörtlich Monaten nicht mehr gesehen habe, wieder andere habe ich erst in der letzten Woche kennengelernt. Nichtsdestotrotz kennt man sich sozusagen, oft hat man auch schon zumindest mal die Namen gehört, es ist durchaus so, dass es hier eine Art Gemeinschafts- oder Gruppengefühl gibt zwischen den Wanderern. Das passiert natürlich jedes Jahr, und hat dazu geführt, dass es auf diesen großen Wanderwegen hier in den USA wie eine Art Subkultur gibt. Beispielsweise ist es hier üblich, sich nicht mit den eigentlichen Namen, sondern mit sogenannten trail-namen an zu reden, die man von anderen Wanderern bekommt. Die meisten basieren auf irgendeiner Episode oder Geschichte oder ähnliches, die auf dem Trail passiert sind, wobei der Großteil aller Wanderer ja schon mal einen ähnlich langen Weg gelaufen ist, und dadurch schon einen Trailnamen hat. Mein eigener trailname ist Yukon, wer mag möge „Cornelius Yukon“ googeln. Ein anderer Teil der Trail culture ist sogenannte Trail magic. Meist bedeutet das in etwa, dass irgendwelche wildfremden Leute irgendetwas für uns Wanderer machen, teilweise geplant, manchmal auch völlig zufällig. Beispielsweise gibt es manchmal an Stellen, wo es wenig Wasser gibt, Leute aus umliegenden Dörfern, die einfach eine Kühltasche mit Wasser an den Weg stellen, manchmal sogar noch mit Keksen, Süßigkeiten oder ähnlichem. Was ich auch schon erlebt habe, als ich mit einer anderen Wandererin an einer Straße entlang gelaufen bin, hat jemand angehalten, und uns gefragt ob wir etwas von McDonald’s wollen. Er ist dann tatsächlich 20 km in die nächste Stadt zurückgefahren und hat uns etwas von McDonald’s gebracht. Solche Sachen passieren immer wieder, die Leute gerade in den ländlichen Gegenden hier sind wirklich hilfsbereit und freundlich.
Gestern war ich in Leadville in Colorado, wo die CDT Coalition, das ist die Organisation, die diesen Weg hier organisiert und betreut, die sogenannten Traildays veranstaltet hat. Das ist ein eintägiges Event für alle sogenannten „Sobos“, so werden die Wanderer bezeichnet, die southbound, also südwärts, laufen, es gab Vorträge, Stände von Ausrüstungsherstellern, und diverse andere Workshops und ähnliches, vor allem aber war es eine Möglichkeit, für alle Wanderer, sich mal an einem Ort ohne Wamderstress zu treffen. Das war wirklich schön, auch wieder Leute zu sehen, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte, aber auch viele neue Leute kennenzulernen, die ich noch nicht getroffen hatte.
Die Wanderer hier auf dem Trail sind äußerst unterschiedlich, es ist wirklich faszinierend, wen man hier alles so trifft. Den Großteil der Wanderers sind natürlich US-Amerikaner, die zweitgrößte Gruppe machen wir Deutschen aus, aber ich habe schon Wanderer aus Tschechien, Frankreich, Dänemark, Brasilien, Japan, China, Kanada, Österreich, und der Schweiz getroffen. Ebenso divers ist es beruflich, es gibt Ingenieure, Lehrer, ITler, ich habe einen freiberuflichen Musikproduzenten getroffen, eine Kunstprofessorin, Krankenpfleger, Biologen, Entwicklungshelfer, Beamte, und eine große Gruppe sind auch Saisonarbeiter, die im Winter einige Monate arbeiten, beispielsweise in der Gastro, und dann im Sommer 6 bis 8 Monate wandern gehen. Auch altersmäßig ist hier alles vertreten, der Großteil ist zwischen Anfang 20 und Ende 30, aber ich treffe auch nicht wenige Wanderer jenseits der 50 oder 60. Der überwiegende Teil der der Wanderer ist grundsätzlich allein unterwegs, einige wenige Paare laufen den Weg zusammen aber es ist nicht unüblich, dass sich Wanderer in kleineren, manchmal auch etwas größeren, Gruppen zusammenschließen. Das heißt nicht zwangsläufig, dass man den ganzen Tag zusammen läuft, sondern eher, dass man gemeinsam Pausen macht, gemeinsam zeltet, und gemeinsam Zeit in den Städten verbringt. Ich bin nach wie vor alleine unterwegs, laufe immer wieder mit anderen, beispielsweise bin ich kurz vor Wyoming vielleicht eine Woche lang mit einem Brasilianer zusammen unterwegs gewesen, in den letzten Tagen war ich oft mit einem Amerikaner zusammen, und diese Abwechslung gefällt mir eigentlich gut. Es ist sehr angenehm und oft auch hilfreich, nicht alleine unterwegs zu sein, trotzdem gefällt es mir auch immer wieder gut, eine Weile alleine zu sein, und eine grundsätzliche Unabhängigkeit zu haben. Auf jeden Fall ist das soziale Element ein wichtiger Teil dieses Wegs und macht das Ganze durchaus noch einmal interessanter.
Nun werde ich mich gleich auf den Weg machen, als nächstes steht der sozusagen Höhepunkt des Weges an, Gray’s Peak mit 4350m.
Colorado!
Ich habe Colorado erreicht! Seit drei Tagen bin ich nun im vorletzten Bundesstaat meiner Wanderung und habe nun Steamboat Springs erreicht. Das Rennen gegen den Wintereinbruch geht in den Endspurt, wobei Spurt hier wohl relativ zu betrachten ist.
Colorado ist der höchstgelegene Bundesstaat der USA und man merkt das auch schon zumindest ein bisschen in den ersten Tagen. Vom Great Basin in Wyoming ging es erst ordentlich hoch. Gestern Abend habe ich auf etwa 2.800 Meter geschlafen, was für hiesige Verhältnisse tatsächlich eher niedrig ist. Trotzdem befinde ich mich eher noch am Anfang der Colorado Rockies und man merkt, dass es erst in den nächsten Tagen so richtig in die Berge gehen wird. Nach dem wüstenabschnitt am Ende von Wyoming gefällt es mir gut, wieder in den Bergen zu sein. Due Berge hier sind deutlich weniger scharf als zum Beispiel in den Alpen, alles ist etwas runder und weiter, der Weg führt oft über sehr breite Bergrücken mit alpinen Wiesen.
Man merkt so langsam auch, dass es Herbst wird, die Nächte werden spürbar kälter und morgens aus dem Schlafsack zu kriechen erfordert immer mehr Überwindung. Auch die Tage werden kürzer, dadurch wird es immer schwieriger, die notwendigen Kilometer zu erreichen, insbesondere, da nun ja auch sowohl die recht große Höhe als auch viele zu überwindende Höhenmeter dazu kommen. Nichtsdestotrotz freue ich mich sehr auf Colorado und bin gespannt, was die Bergwelt hier noch zu bieten hat..
The Basin
Tja. Erstens kommt immer alles anders und zweitens als man denkt. Für das Great Divide Basin hatte ich Temperaturen bis fast 40 Grad, Sonne pur, und wenig Wasser erwartet. Ich hatte jedoch jeden Tag Regen, gestern sogar praktisch den ganzen Tag, auch ein paar Gewitter, was bei dem Gelände – siehe auch Fotos – nicht vergnügungssteuerpflichtig ist, und dadurch sowohl am Boden als auch von oben deutlich mehr Wasser als erhofft.
Nichtsdestotrotz fand ich das eine höchst faszinierende Gegend. Gleich am Anfang kam ich durch ein kleines Geisterdorf, dass heute ein Freilichtmuseum ist, South Pass.City. Entstanden im 19. Jahrhundert im Zuge des Goldrauschs, wurde das Dorf im 20 Jahrhundert irgendwann aufgegeben, heute betreibt ein Verein dort eben ein Freilichtmuseum. Sie haben die Gebäude originalgetreu nachgebaut und man kann auch reinsehen und teilweise auch reingehen, am spannendsten fand ich das Gebäude, in dem Fotos von den 1870ern bis ins frühe 20. Jahrhundert ausgestellt waren.
Das Great Divide Basin ist sehr interessantes Gebiet. War ich bisher immer entlang der Wasserscheide unterwegs, was ja auch heißt, dass das Wasser links von mir in den Atlantik und rechts in den Pazifik fließt, ist es hier im Basin so, dass die Wasserscheide außenrum geht, das heißt, jegliches Wasser das hier reinkommt, bleibt auch hier, es fließt nirgendwohin ab. Nun ist es so, dass, offensichtliche außer in den letzten Tagen, normalerweise hier extrem wenig Wasser ist, es gibt kaum Regen, und auch sehr wenig natürliche Wasserquellen. Die Gegend mit eintönig zu beschreiben wäre eine massive Untertreibung, nichtsdestotrotz fand ich es höchst faszinierend hier durchzulaufen. Es ging ein bisschen mehr hoch und runter als ich das erwartet hatte, aber die Höhenmeter hielten sich doch sehr in Grenzen, Hügel waren eigentlich die einzige Form der Gelände Variierung, die es gab. In den letzten ca anderthalb Tagen bin ich rund 70km einfach nur geradeaus gelaufen, mit minimalen Richtungsveränderungen von höchstens wenigen Grad. Nun bin ich im Rawlins angekommen, ein bisschen wird es noch so weitergehen, bevor es dann jetzt hoch Richtung Colorado geht.
The Winds
So, nach acht Tagen bin ich gestern endlich in Lander, Wyoming, angekommen. Das war durchaus ein hartes Stück Arbeit. Nichtsdestotrotz habe ich diese Tage insgesamt sehr genossen, landschaftlich war das bisher eines der Highlights überhaupt. Die Wind River Range ist benannt nach dem gleichnamigen Fluss und dem Indianerstamm, der hier in der Nähe auch ein Reservat hat.
Zum ersten Mal war ich auch regelmäßig über 3000m, nachdem ich die letzten Wochen meistens zwischen 2500m und 3000m gelaufen bin, ging es dieses Mal bis auf 3700m hoch. Man sieht es meinen Fotos, auch denen der letzten Wochen, nicht immer unbedingt an, in welcher Höhe ich mich bewege, aber tatsächlich ist die Baumgrenze hier auf etwa 3200 m.
Jedenfalls war das ein Abschnitt, der geprägt war von hohen Bergen und vor allem sehr vielen wunderschönen Bergseen. Ich hatte zumindest ab dem dritten Tag auch echt Glück mit dem Wetter, sodass ich mehrere Nächte ohne Tag schlafen konnte und und dank Neumond auch immer wieder ganz tolle Sternenhimmel sehen konnte.
Vielleicht ist hier eine gute Gelegenheit, ein paar Worte über Waldbrände zu verlieren. Bisher hatte ich nämlich großes Glück, ich musste keinem einzigen Waldbrand ausweichen, das einzige mal, dass es knapp war, wurde der Wanderweg eine Woche bevor ich durchgelaufen bin wieder eröffnet, und auch diese Woche hatte ich wieder Glück: vergangenen Sonntag bin ich noch am Green River entlang gelaufen, seit Donnerstag gibt es dort einen Waldbrand. Für viele Wanderer, die ein paar Tage hinter mir sind, ist das nun ein echtes Problem.
Aber auch wenn ich kann bisher keine Waldbrände direkt auf der Strecke hatte, bin ich inzwischen zusammengerechnet mehrere hundert Kilometer durch Gebiete gelaufen, die in den letzten zwei bis 15 Jahren abgebrannt sind. Ich denke auf meinen Fotos ist das auch regelmäßig zu sehen, ich habe aber diesmal zwei Gallerien angelegt, eine extra mit „Burn Zone“ Fotos. Diese Gebiete sind oft sehr anstrengend zu durchqueren, da die Wege, je nachdem wie lange der Waldbrand her ist, nicht immer in einem guten Zustand sind, immer wieder Baumstämme über dem Weg liegen, es oft wenig Wasser gibt, und man nur schwer einen Zeltplatz findet, da die ganzen toten Bäume, die noch stehen, jederzeit umfallen können, vor allem wenn es windet. Tatsächlich habe ich genau das auch schon beobachten können.
Fand ich es am Anfang noch interessant, solche Gebiete durch zu durchqueren, ist es inzwischen meistens eher lästig, zumal es nicht selten vorkommt, dass man mehrere Stunden durch entsprechende Abschnitte läuft. Nichtsdestotrotz ist aber immer wieder spannend, wie sich der Wald auch selbst erneuert, und wie der aktuelle Stand dessen ist, je nachdem wie lange der Waldbrand her ist.
Der nächste Abschnitt ist wahrscheinlich in jeglicher Hinsicht das krasse Gegenteil vom vorhergegangenen: das Great Divide Basin, ein wüsten- oder steppenartiger abschnitt, deutlich tiefer wieder, teilt sogar unter 2000m, sehr flach, es gibt sehr wenig Wasser dort, und wahrscheinlich wird es recht heiß. Außerdem bin ich jetzt endlich aus dem Grizzly Gebiet raus und habe heute mein Bärenspray abgegeben.
Yellowstone. Geysire. Und Grizzlies!
So, ich bin nun tatsächlich in Wyoming und habe Dubois erreicht. Damit habe ich auch die 1500 km geknackt.
Vier Tage war ich diese Woche in Yellowstone, und war ziemlich begeistert. Yellowstone ist völlig anders als alles, was ich bisher gesehen habe. Der Weg verlief sehr eben, was eine angenehme Abwechslung war, aber vor allem waren die ganzen Geysire und heißen Quellen echt spektakulär. Auch abgesehen davon hat mir der Park sehr gefallen, es ging auch viel wieder wie ganz am Anfang der Wanderung durch Flusstäler, die aber meist deutlich weiter waren und ein ziemlich cooles Wildwestfeeling hatten.
Und ich habe zum ersten mal Grizzlys gesehen! Zuerst eine Mutter mit zwei kleinen, die leider nur ca 10 bis 15 m von mir weg waren. Glücklicherweise wollten sie ebenso wenig mit mir zu tun haben wie ich mit ihnen und haben sich weg von mir über den Fluss verkrümelt. Ich habe eine Weile Pause gemacht, damit sie sich entfernen können, aber kaum war ich losgelaufen, habe ich die drei mit noch einem erwachsenen Bär auf der anderen Flussseite gesehen. Das war immerhin eine angenehme Entfernung, sie konnten mich zwar riechen, aber nicht richtig sehen und haben sich dann aber auch wieder in den Wald verzogen. Dabei habe ich immerhin ein paar Fotos machen können.
Als nächstes geht es in die Wind River Range, dort werde ich ca 8 Tage unterwegs sein, das heißt, ich muss wieder einen Haufen Essen in den Rucksack packen.
Good-bye Montana
Ein kurzer Abschnitt diesmal, nur ungefähr 100 km seit Lima. Am Samstagabend haben die Leute vom Motel in Lima drei andere WandererInnen und mich zurück zum Weg gefahren. Eigentlich wollten wir einfach gemütlich noch drei oder vier Kilometer laufen, und dann unsere Zelte aufschlagen. Kaum waren wir allerdings losgelaufen, ging es los: Regen, Gewitter, Hagel, starker Wind. An der ersten halbwegs geschützten Stelle haben wir unsere Zelte aufgeschlagen, klatschnass. Immerhin war mein Schlafsack trocken geblieben. Aber die nächsten Tage war das Wetter weitgehend gut, sodass wir alles wieder trocken bekommen haben.
Die Strecke bis hierher war recht angenehm, nicht so viele Höhenmeter, man kam schnell vorwärts. Nun sitze ich in einem Hotel, wo ich auf mein neues Paar Schuhe warte, das hoffentlich morgen ankommt. Immerhin meine erste Nacht in einem Bett seit über drei Wochen!
Gestern habe ich nun endgültig Montana verlassen. Die letzten paar 100 km bin ich ja immer entlang der Grenze zwischen Montana und Idaho gelaufen, nun laufe ich noch ein kleines Stück schräg durch Idaho. Tatsächlich sind es nur noch etwa 40 km, bis ich im Yellowstone Nationalpark die Grenze zu Wyoming überschreite. Von Wyoming habe ich ja schon öfters gesprochen, daran merkt ihr vielleicht auch, wie sehr nicht nur ich, sondern fast alle Wanderer, die ich nur hier so treffe, die Grenze herbeisehnen. Der erste große Abschnitt ist damit abgeschlossen. Zum Einen gibt mir das das Gefühl, nun doch endlich schon einiges geschafft zu haben und gut vorwärts zu kommen, zum anderen motiviert es auch aufs Neue, insbesondere weil Wyoming viele Highlights bietet. Zu Beginn natürlich der Yellowstone Nationalpark, direkt anschließend die Wind River Range, die vielen Wanderern als eines der, wenn nicht das Highlight des ganzen Weges gilt. Und zu guter letzt noch das Great Basin, ein geologisch sehr spannendes Gebiet, weil die Wasserscheide nicht durch, sondern um dieses Becken herumführt. Auch landschaftlich freue ich mich sehr darauf, es ist eine wüsten- oder steppenartige Gegend, sehr flach, praktisch keine Vegetation, ganz anders als alles, was ich bisher so gesehen habe. Leider ist es dort vor allem im August sehr heiß, und es gibt sehr wenig Wasser. Aber bis dahin ist es ja noch eine Weile.